Am 28. August 2019 sind es 70 Jahre, dass unsere Gemeinde in einer Schwedenkapelle zusammenkommt, Gottesdienste feiert und in ihr viele Treffen, Konferenzen und Begegnungen stattgefunden haben.
Mit Dank blicken wir auf die Anfänge dieses Hauses zurück. Weil die Gemeinde in den Anfangsjahren oft die Orte der Versammlungsräume wechseln musste, entstand recht früh der Gedanke, im Ort ein Grundstück zu kaufen, wo man bauen konnte. Für längere Zeit kam man 1928 in der Radickestraße, in der „Wäscherei Rottnick“ bis 1949 unter, wo sich alles in einem Gemeindesaal abspielte. Für Gemeindefeste und Evangelisationen gab es fast keinen Platz.
Am 1. Juli 1941 kaufte die Gemeinde das Doppelgrundstück in der Handjerystraße 29/31. Gerade noch rechtzeitig, kurz vor dem Verbot, Grundstücke zu erwerben. Danach hatte man schon Pläne für den Bau eines Gemeindehauses liegen. Vom Architekten Jelloneck gab es Entwürfe. Er wollte das zukünftige Gemeindehaus zu einem Gemeindezentrum erweitern. Es war ein Wohnhaus mit Altenheim und ein auf dem Hof liegendes Gemeindehaus geplant. Aber durch die Kriegs- und Nachkriegszeit sowie die damit verbundene Geldentwertung wurde aus diesen Plänen nichts.
Berliner Prediger hatten in den 1930er Jahren Kontakte zu den Freikirchen in Schweden aufgebaut, so zu dem „Svenska Missionsförbundet“. Walter Böhme, seit 1939 Prediger in der Gemeinde Adlershof, hielt weiter die Verbindungen. Durch Augustinus Keijer, Jugendsekretär und später Lehrer am Predigerseminar wurden die Kontakte intensiver. A. Keijer und Einar Rimmerfors besuchten nach dem Krieg Deutschland.
Durch das Engagement der Schweden erreichte im Dezember 1946 die erste Hilfsgüter-Sendung Berlin. Gleich nach dem Krieg hatte die Evangelische Kirche in Deutschland im August 1945 rechtzeitig ein Hilfswerk installiert, um die vielen Nöte zu lindern. Im August 1946 trat unser FeG-Bund in Aktion und gründete ein eigenes Hilfswerk, dessen Leiter sich dem evangelischen Hilfswerk anschloss. Walter Böhme, zur damaligen Zeit Kreisvorsteher der Berliner Gemeinden, wurde vom Geschäftsführer darüber informiert. Er erklärte seine Bereitschaft, Verantwortung für ein Hilfswerk zu übernehmen, und wirkte als „Beauftragter des Freikirchlichen Hilfswerkes für die Ostzone“. Daraufhin baute Walter Böhme hier in Adlershof eine zentrale Anlauf- und Koordinationsstelle für Hilfslieferungen auf. Dadurch erhielten die Berliner Gemeinden Spenden in Form von Lebensmittel, Textilien, Neue Testamente und vieles andere mehr.
Die für unsere Gemeinde wichtigste Spende war aber eine Holzkapelle. Am 23.12. 1947 kündigte ein Telegramm aus Stockholm eine Holzkirche in 3 Waggons an. Von der telegraphischen, angekündigten Zusage bis zur Einweihung war dann aber noch ein weiter Weg. So bekamen wir erst am 28.9.1948 die Baulizenz und der Grundstein wurde am 24.11. 1948 gelegt. Die Projektierung lag in der Hand der Adlershofer Baugenossenschaft, die schon am 19.8.1945 gegründet worden war und ihren Sitz n der Gellert-Straße hatte. In dessen Auftrag arbeitete der Architekt, Herr Jelloneck, ein Mitarbeiter der ABG, und wurde für das Bauvorhaben „Schwedenkirche“ eingesetzt. Klaus Bläsing, Sohn des Gründers und Leiters der Baugenossenschaft, war als Zimmermann-Lehrling mit am Bau beteiligt. Er hat uns erzählt, woran er sich aus dieser Zeit erinnert. Von dem hinderungsreichen Gang des weiteren Ausbaues gibt ein Bericht im „Gemeindebrief“ vom Februar 1950 einen Eindruck.
Die Einweihung fand am 28. August 1949 statt. Die Eingänge und der Giebel zur Straße hin waren mit Girlanden festlich geschmückt. Im Festchor waren Sänger aus allen unseren Berliner Gemeinden vertreten und Walter Böhme hielt die Festpredigt. Leider musste das markante Türmchen wegen Problemen mit der Statik 1957 wieder abgetragen werden. Im September 1950 schlossen sich hier in unserer Kapelle die auf dem Gebiet der DDR befindlichen Gemeinden zu einem „Bund Freier evangelischer Gemeinden“ zusammen.
Der erste Bundesvorsteher wurde Walter Böhme. Der Gemeinde Adlershof kam dabei eine Art Schlüsselstellung zu. Die Kontakte vom Ausland zum Gemeindebund in der DDR liefen in der Regel über Adlershof. Besucher aus Ost und West trafen sich hier, wichtige Sitzungen wurden hier abgehalten, und wenn es etwas mit Dienststellen der DDR-Regierung zu regeln gab, lief „alles über Adlershof“.
Die Schwedenkapelle hatte von Anfang an wenig Nebenräume. Vom Haupteingang kam man gleich in den Versammlungsraum. Auf der rechten Seite gab es einen Nebenraum mit verschiebbaren Wänden, weil dahinter ein Kohle-Ofen mit einem Gebläse stand. Auf der gegenüberliegenden Seite gab es auch einen Ein- bzw. Ausgang, und da befand sich auf der rechten Seite, von außen, eine Tür, hinter der zwei kleine Zimmerchen eingerichtet waren. Und in diesen Räumen wohnte ein Ehepaar, Wilhelm und Anna Schwarz. In ihnen gab es nur ein Waschbecken, und im Keller waren die Toiletten untergebracht. Die Eheleute wohnten in Pommern auf einen Bauernhof. Nach dem Krieg wurden sie vertrieben und wohnten als Flüchtlinge zuerst bei Dresden, und kamen dann später nach Berlin.
Einige Zeit später, ca. 1956/57, zog Berta Fengler, eine alleinstehende Frau, in diese Räume ein. Sie muss in ihrem Leben viele negative Dinge und Enttäuschungen erlebt haben, denn Johannes Schmidt charakterisierte sie in „Glaube und Dienst“ aus Anlass ihres Todes (27.Mai 1975) mit dem Satz: „Dennoch schien ihr Lebensmut unverwüstlich.“ Berta Fengler war kein Hausmeister, aber in der Kapelle und auf dem Grundstück passte sie auf. Immer dabei war ihr Hund, ein Spitz, der dort den nötigen Auslauf hatte. Sie verpasste keinen Gottesdienst, Konferenzen oder andere Veranstaltungen. Sie war hilfsbereit, kümmerte sich um manche Kleinigkeiten, und sorgte für Ordnung. Als Johannes Schmidt 1971 Prediger der Gemeinde wurde, zog sie einige Jahre später in ein Altersheim! Nach dem Umzug passierte es, weil keiner mehr auf dem Grundstück wohnte, dass in der Kapelle einmal eingebrochen wurde.
Aus den leer stehenden Zimmern wurde dann Joh. Schmidt sein Arbeitszimmer mit einem kleinen Vorraum. In seiner Zeit entstand im Eingangsbereich ein Korridor mit Garderobe und einem Oberboden. 1978/79 konnte auf dem Grundstück ein Prediger-Wohnhaus errichtet werden. Bevor der Anbau kam, musste man immer, und das bei jedem Wetter, über den Hof laufen, um von außen in den Keller zu gelangen. Und das immer dann, wenn man in die Küche, bzw. auf die Toilette wollte.
Als 1975 Johannes Schmidt Bundesvorsteher wurde, entstand der Anbau, der sich dem Arbeitszimmer anschloss. In diesem Raum wurde die Bundesgeschäftsstelle untergebracht. Nach dem Mauerfall und der Wiedervereinigung der zwei Bünde Ost und West im Dezember 1990, hatte Johannes Schmidt eine neue Tätigkeit als „Beauftragter für die ehemaligen DDR-Gemeinden im Bund“. Nun war wieder, wie vor 1949, die Bundesgeschäftsstelle in Witten, wo sich die Zentrale unserer Freien evangelischen Gemeinden von Deutschland befand.
Am 29. April 1990 wurde die Bundesgeschäftsstelle in Adlershof aufgelöst, und die Akten wanderten nach Witten. Dieser Raum wurde danach als Mehrzweckraum benutzt, so für den Kindergottesdienst, Bibelstunden u.a. In dem früheren Arbeitszimmer von Johannes Schmidt wurde im Oktober/November 1993 für die Besucher der Gemeinde im obigen Bereich Toiletten eingebaut.
Ende der 1970er Jahre hatten die staatlichen Behörden uns als Gemeinde die Auflage erteilt, im Zuge der Stadtsanierung statt der Holzkapelle einen Ersatzbau zu planen. Der „Ersatzbau Schwedenkapelle“ beschäftigte uns für die nächsten Jahre. Dazu kam dann noch 1985 die Mitteilung, dass die Neuapostolische Kirche neben uns eine neue Kirche bauen will. Diese geplanten Veränderungen waren für uns als Gemeinde überhaupt nicht vorstellbar und für Johannes Schmidt und die Gemeinde eine große Belastung.
1989 beschloss der West-Bund, für uns Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, um den Bau realisieren zu können. Durch die Wende im November 1989 fanden alle Planungen ein Ende, und die Schwedenkapelle blieb uns bis zu dieser Zeit erhalten. 1992 war neben uns der Neuapostolische Kirchenbau fertig.
Dankbar sind wir, dass die Kellerräume, in denen schon immer die Kinder- und Jugendarbeit stattfand, komplett saniert wurden. So haben jetzt die Kinder-Mitarbeiter mit den Kindern mehr Freiraum. Ebenso wurde die Küche, die sich von Anfang an im Keller befand, nach oben verlegt. Das war natürlich für unsere Frauen eine große Entlastung, besonders, wenn Veranstaltungen und Feierlichkeiten vorbereitet werden mussten.
Gottes Führungen haben wir in den vergangenen Jahrzehnten in vielfältiger Weise erlebt, und wollen auch weiterhin Menschen zu uns einladen, um auf Gottes gute Botschaft zu hören.
Klaus-Peter Ortmann
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