Pro & Kontra Präsenzgottesdienste

Teil 1: kontra (Sophie H.)

Sophie, warum hast du dich entschieden, die Präsenzangebote nicht wahrzunehmen?

Als Zahnärztin arbeite ich täglich sehr nah an Patienten, daher habe ich beruflich bedingt ein sehr hohes Ansteckungsrisiko. Da Corona potenziell tödlich für ältere Menschen sein kann und selbst bei jüngeren unter Umständen Folgeschäden bringt, möchte ich es nicht verantworten müssen, andere diesem Risiko auszusetzen. Deshalb haben wir uns schon im März als Familie entschieden, keine Präsenzveranstaltungen in der Gemeinde zu besuchen, weil ich bzw. wir niemanden unabsichtlich anstecken möchten. Außerdem sind unsere vier zum Teil noch kleinen Kinder auch in verschiedenen Gemeinschaftseinrichtungen, wie Schule und Kita, und haben daher selbst ein höheres Ansteckungsrisiko. Weil sie im Gottesdienst oder Kindergottesdienst schwer dauerhaft auf coronakonformem Abstand zu anderen zu halten wären, verzichten wir einfach ganz auf unsere sonntäglichen Gemeindeausflüge. Präsenzveranstaltungen sind unter den aktuellen Umständen für uns absolut ersetzlich dank diverser digitaler Angebote. Gott ist nicht nur sonntags persönlich im Gemeindegebäude zu finden. Jesus lässt sich auch zu Hause auf der Couch beim Streamen des Online-KiGos oder woanders finden.

Wie nimmst du aktuell Anteil am Gemeindeleben? Welche Rolle spielt Gemeinde aktuell für dich und dein geistliches Leben?

Ich schaue mir regelmäßig die Aufzeichnung des Gottesdienstes auf YouTube an und wir treffen uns schon seit März durchgehend wöchentlich als Hauskreis Grünau-Köpenick digital per Video-Chat. Natürlich verfolge ich auch diverse Events in der Gemeinde über den Gemeindechat, über den Gemeindebrief oder Emails. Wir bemühen uns auf diesen Wegen auch Kontakt zu halten. Mit unserem Hauskreis pflegen wir eine schöne und enge Gemeinschaft trotz der räumlichen Distanz, indem wir uns im Chat, per Videokonferenz oder Telefon viel über Persönliches austauschen und einander begleiten. Selbst intensive und lehrreiche Bibelstudien lassen sich gut digital organisieren.

Wie/wo tankst du geistlich auf?

Ich bin der Gemeinde sehr dankbar für die digitalen Angebote, die sich gut und flexibel in unseren Familienalltag integrieren lassen. So manche Predigt hat mich schon beim Bügeln oder Wäsche sortieren begleitet und mich auf diesem Wege auch bei profanen Tätigkeiten geistlich wachsen lassen. Weil auch viele andere Gemeinden ihre digitalen Angebote erweitert haben, finde ich es unglaublich spannend und erbauend, auch mal in andere Gottesdienste hinein zu schnuppern, z.B. auch aus Gemeinden in den USA oder der Schweiz. Außerdem lese ich regelmäßig in der Bibel App von YouVersion, wo es wunderbare Bibelstudienreihen und Lesepläne gibt, lese christliche Magazine, höre Podcasts in der bibletunes App oder lese einfach klassisch in der Bibel oder einfach mal ein schönes Buch.

Mit den Kindern sehen wir uns jede Woche den Online-KiGo aus Karlsruhe an, der hier sehr gut ankommt. Die Kinder hören unheimlich gerne ihre CDs mit Bibelversliedern, die sie mal zu Weihnachten vom KiGo-Team unserer Gemeinde geschenkt bekommen haben, oder Feiert Jesus-CDs. Es gibt so viele schöne Möglichkeiten, Gott zu begegnen. Natürlich treffe ich mich, bzw. wir uns auch regelmäßig draußen an der frischen Luft mit Abstand mit christlichen Freunden und deren Kindern z.B. auf einem Spielplatz oder im Garten und unterhalten uns. Wir beschränken einfach die Kontakte auf ein paar weniger als sonst, was aber dem geistlichen Austausch und der persönlichen Nähe zu anderen keinen Abbruch tut.

Was denkst du über Geschwister, die – unter Einhaltung der Hygieneregeln – die Präsenzangebote wahrnehmen?

Viele Menschen sind einsam zu Hause oder haben nicht so gute technische Kenntnisse oder Möglichkeiten, daher finde ich es schön und sehr wichtig, dass es auch die normalen Präsenzangebote wie Gottesdienste von Kirchen gibt. Allerdings sehe ich, dass leider manche Leute die geltenden Abstands- und Hygieneregeln nicht ganz genau nehmen oder nicht wirklich nachvollziehen können und dadurch unter Umständen andere gefährden. Jeder soll für sich entscheiden dürfen, ob er Gottesdienste persönlich besuchen möchte, oder eben nicht, allerdings unter Einhaltung der Hygieneregeln. Mit den aktuell so massiv hohen Zahlen ist es allerdings schon ein gewisses Risiko, wenn viele fremde Leute längere Zeit in einem Raum sitzen, solange diese nicht alle perfekt sitzende FFP2-Masken dauerhaft tragen oder/und mehrere Fenster permanent offen stehen. Daher sollten insbesondere Menschen aus Risikogruppen mit Vorerkrankungen o.ä. aus medizinischer Sicht definitiv vorsichtig mit solchen Gruppenveranstaltungen sein.

Und was wünscht du dir von Geschwistern, die anders mit der Situation umgehen als du?

Es ist trotz allem wichtig, Menschen auch persönlich und offline begegnen zu können, wenn man aufeinander  Acht gibt und vorsichtig ist. Ich wünsche mir hier ein Verständnis für die besondere temporäre Situation im Umgang mit Corona und dass alle etwas mehr Rücksicht aufeinander nehmen. Persönliche Freiheit endet dort, wo sie andere gefährdet. Wir müssen alle aufeinander Acht geben.

Was denkst du: Wie muss sich Gemeinde/das Gemeindeleben verändern, um auch für die Zukunft und kommende Herausforderungen gut vorbereitet zu sein?

Die aktuell schnell voranschreitende Digitalisierung des Gemeindelebens ist spannend und bringt viele Vorteile, aber man muss auch aufpassen, dass man sich nicht in Beliebigkeit verliert und unpersönlich wird. Ich glaube die gute Mischung macht’s und wir müssen immer die Nöte der Umgebung im Blick behalten und darauf flexibel mit Offenheit und Nächstenliebe reagieren. Wir sollen Lichter in dieser dunklen Welt sein und Jesu Liebe und Vergebung anderen Menschen nahebringen. Möge Gott uns immer genug Weisheit dafür geben. Schön finde ich zum Beispiel, dass die Renovierung des Gemeindesaales und die damit einhergehende technische Aufrüstung schon eindeutig Früchte gebracht hat insbesondere bei der Aufzeichnung der Gottesdienste. Da hat der Herr die FeG Adlershof wunderbar begleitet. Sein Timing war perfekt und hat die Gemeinde auf Herausforderungen vorbereitet, die keiner hat kommen sehen.

Vielen Dank für das Interview!

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