Als die Gemeinde wusste, dass Johannes Schmidt Junior nach Dohna geht, bemühten wir uns um einen Nachfolger. Diesen fanden wir in Roland Will, der zu dieser Zeit als Bausoldat seinen Wehrersatzdienst bei der Nationalen Volksarmee ableistete. Als gelernter Maurer absolvierte er eine zweijährige theologische Weiterbildung und eine anschließende Vikariatszeit.
Am 17. Mai 1987 erfolgte seine Einführung mit seiner Frau Gudrun. Seine Tätigkeit als „Diakon für missionarische Gemeindearbeit“ war von Beginn an auf drei Jahre ausgerichtet. Er setzte Akzente durch einen missionarischen Arbeitskreis und brachte sich engagiert in der Jugendarbeit ein.
Im Frühjahr 1987 fand bei uns eine Kreis-Mitarbeiterschulung statt, bei der auch junge Westberliner aus der Gemeinde Moabit dabei waren. Dort entstand die ldee, ein Treffen der Jugendkreise zu organisieren, da die Westberliner ja in den Osten kommen konnten. Im Herbst 1987 erfolgte das erste Treffen mit den Moabitern. Danach war man sich einig: ,Wir kommen wieder!“ Und so traf man sich halbjährlich bis zum Mauerfall in Adlershof.
Zwei interessante Begegnungen gab es 1987. Im August kam eine schwedische Gruppe mit 48 Personen zu Besuch, was zu lebhaftem Austausch führte. Und am Ende des Monats kam Peter Strauch, damals noch Bundespfleger, mit Seminaristen der Abschlussklasse vom Theologischen Seminar in Ewersbach nach Adlershof.
In Abständen führten wir auch Evangelisationen durch. So wollten wir im Oktober 1987 unsere Adlershofer Umgebung erreichen und verteilten Einladezettel in den Häusern. Kontakte bestanden zu unseren beiden Westberliner Gemeinden Moabit und Tempelhof. So planten wir mit einer Gruppe aus Tempelhof 1988 einen „Gemeindetag“. Sie kamen früh zum Gottesdienst und blieben zum Nachmittag in Adlershof.
In diesem Zeitraum hatte Schwester Maria Röger mit Günter Szabries eine Kinderarbeit aufgebaut. Man traf sich wöchentlich einmal und zwar in der FeG in Baumschulenweg mit Kindern aus Gemeinden in Adlershof und Baumschulenweg. Der Vorteil: Die Gemeinde lag in der Nähe des S-Bahnhofes.
Was uns in dieser Zeit große Sorgen bereitete, war der geplante Abriss unserer Holzkapelle und die Errichtung eines Neubaus für unsere Gemeinde. Wir erhielten vom West-Bund die Zusicherung von finanzieller Unterstützung. Es gab regelmäßig Sitzungen und Beratungen.
Positiv für uns war, dass wir seit 1985 Lizenzausgaben von Broschüren aus unserem Bundesverlag aus Westdeutschland erhielten. Unsere Bundeszeitschrift „Glaube und Dienst“ erhielten wir nur sieben Mal im Jahr. So konnten unsere Büchertische Schriften von Peter Strauch, Käte Walter u.a. westliche Literatur erhalten. Diese war Mangelware, nur über Umwege zu erhalten und war in der DDR verboten.
Im Mai 1989 feierte die Gemeinde ihr 75. Jubiläum. Peter Strauch war eingeladen. Er hielt die Festpredigt, mehrere Vorträge und besuchte sogar die Jugendstunde. Unter den vielen Gästen war aus Moabit auch die Tochter unseres ersten Predigers anwesend, Erika Langeheinecke (77), deren Vater, Paul Langeheinecke, von 1914 bis 1934 in der Gemeinde tätig war.
Die Gemeinde in Moabit feierte in diesem Jahr im Oktober als älteste Gemeinde in Berlin ihr 100. Jubiläum. Am Wochenende des 14./15. Oktobers war Siegfried Zahlmann als Abgeordneter unserer Gemeinde mit dabei.
In Westberlin fand zudem im Juni 1989 der 23. Evangelische Kirchentag statt. Dort konnte Roland Will als unser FeG-Abgesandter für einen Tag mit dabei sein.
Im November gab es vom 9.-11. eine Mitarbeitertagung im „Grafe-Haus“ in Thüringen. Am Donnerstagabend, es war der 9. November 1989, erreichte uns dort die Nachricht von der Maueröffnung. Das war die Überraschung! Bis zum Tagungsende war das neben dem Thema täglicher Gesprächsstoff. Die jüngeren Teilnehmer blieben nicht bis zum Schluss und fuhren schon am Freitag nach Hause.
Das Grafe-Haus musste nach der Wiedervereinigung wegen finanzieller Schwierigkeiten Ende 2002 verkauft werden.
Klaus Ortmann