30. Juni 2024 | Geschichte

75 Jahre Schwedenkapelle

Seit 75 Jahren nutzt die Gemeinde, 1914 gegründet, die Schwedenkapelle und die auf ihrem Grundstück bestehenden Gebäude. Dankbar blicken wir auf viele Jahrzehnte zurück, in denen nicht nur Gottesdienste, sondern viele Begegnungen, Veranstaltungen, Konferenzen und auch Ost-/West-Treffen stattgefunden haben.

Oft musste die Gemeinde den Standort wechseln, bevor sie 1949 die Schwedenkapelle beziehen konnte. Davor hatte sie in der Radickestraße ihre Räumlichkeiten, in der auch eine Predigerwohnung vorhanden war. Und hier waren auch Paul Langeheinecke, Albert Fuhrmann und Walter Böhme tätig.

Unser Versammlungsraum in der Radickestraße 26 von 1927-1949

1941 konnte ein Doppelgrundstück gekauft werden. Die Berliner Prediger hatten gute Kontakte zu dem schwedischen Missionsbund, die nach dem Weltkrieg intensiviert wurden.

Besonders Walter Böhme (seit 1939 in der Gemeinde) hielt die Kontakte und baute nach dem Krieg ein Hilfswerk auf, so dass Spenden u.a. aus Schweden, Schweiz und den USA nach Berlin kamen. Die wichtigste Spende wurde uns durch ein Telegramm aus Stockholm am 23. Dezember 1947 mitgeteilt: Die Lieferung einer Holzkirche in 3 Waggons!

Bis zur Einweihung war es noch ein weiter Weg. Die Baulizenz bekamen wir erst am 28. August 1948, der Grundstein wurde am 24. November desselben Jahres gelegt. Die Bauausführung lag in den Händen der ABG (Adlershofer Bau- Genossenschaft). Diese Genossenschaft wurde am 19. August 1945 gegründet und hatte Maurer und Zimmerer angestellt. Der Leiter dieser Genossenschaft war ein Herr Bläsing, ein Architekt. Wir lernten den Sohn kennen, Klaus Bläsing, der damals als Zimmermann-Lehrling am Bau der Kapelle beteiligt war und uns so manches aus dieser Zeit erzählte. Die Grundmauern der Kapelle wurden aus Klinkersteinen gebaut. Diese wurden vom Johannisthaler Flugplatz von einem zerbombten Hangar geholt. Das Abputzen der Steine übernahmen überwiegend Frauen und Kinder. Nachts mussten die Steine bewacht werden. Beim Ausschachten der Kellerräume halfen auch Jugendliche aus der Moabiter Gemeinde, teils bis in die Abendstunden.

Klaus Bläsing, 1949 am Bau der Schwedenkapelle beteiligt

Zur damaligen Zeit wurden für den Bau meist Kanthölzer aus den Kriegsruinen geholt, auch wenn sie schwarz vom Brand waren. Es gab auch nur selten neue Bretter und Hölzer. Beim Bau der Schwedenkapelle wurde dagegen nur neues, ungebrauchtes Holz verwendet. Das war für die Handwerker ein besonderes Erlebnis.

Engpässe gab es nicht nur beim Material. Die Firma hatte zwar Kreis- und Bandsäge, aber die Handwerker mussten auch ihre eigenen Werkzeuge mit einsetzen. Der Mangel der Nachkriegszeit wurde auch daran deutlich, dass die Bauarbeiter sich ihr Brot auf einem kleinen Ofen rösteten, damit es einen anderen Geschmack bekam. Zum Richtfest wurden alle in den alten Gemeindesaal zu einer Tasse Kaffee eingeladen und jeder bekam eine Portion schwedischer Salzheringe. Vom schwedischen Missionsbund kamen hauptsächlich Lebensmittel und Textilien in die Ostzone.

Die Einweihung sollte zum Pfingstfest 1949 stattfinden, doch der festgesetzte Tag musste zweimal verschoben werden. In der Handjerystraße lag kein Lichtkabel. Der letzte Anlieger am Stromnetz war 54 Meter entfernt! Die Kabelnot wurde Gemeindenot und trieb ins Gebet. Gott gab Gnade zu kühnem Bitten und die Gemeinde bekam Kabel, Anschlüsse und Zähler in nur neun Tagen! So fand die Einweihung am 28. August 1949 statt. Eingänge und Saalfront waren mit Girlanden geschmückt. Von der Saalfront grüßte das Verheißungswort: „Fürchte dich nicht, glaube nur“. Adolf Nitsch aus der Moabiter Gemeinde stellte einen Festchor aus den Berliner Gemeindechören zusammen und Walter Böhme hielt die Festpredigt. Die schwedischen Brüder konnten nicht kommen und schickten ein Gruß-Telegramm. Nach der Feierlichkeit gab es eine siebentägige Evangelisation.

Einweihung der Kapelle im August 1949

Nach der Fertigstellung der Schwedenkapelle entstand eine Garage für Walter Böhmes Auto und daneben ein Schuppen. Unser markantes Türmchen musste leider wegen Statikproblemen 1957 wieder abgetragen werden. Es wurden zwei Nussbäume gepflanzt, die sich in den nächsten Jahren prächtig entwickelten und von denen wir später viele Walnüsse ernten konnten.

Die Schwedenkapelle hatte von Anfang an nur wenige Nebenräume. Vom Haupteingang kam man gleich in den Versammlungsraum. Auf der rechten Seite gab es einen Raum mit verschiebbaren Wänden, weil dahinter ein Kohleofen mit einem Gebläse stand. Es gab aber auch noch elektrische Heizstrahler, die an der Decke in Längsrichtung befestigt waren. Diese durften in den 1950er Jahren nur sonntags zwischen 8 und 11 Uhr beheizt werden.

Eingang von der Südseite

Auf der gegenüberliegenden Seite gab es ebenfalls einen Eingang. Dahinter befanden sich zwei kleine Zimmer, in denen ein Ehepaar, Flüchtlinge aus Pommern, wohnten. Als sie 1956 auszogen, bezog eine alleinstehende Frau, Berta Fengler, bis 1971 diese Räume.

Durch die Größe des Grundstücks konnten sich die Gäste bei den jährlichen Konferenzen und anderen Veranstaltungen gut verteilen. In Abständen kamen in dieser Zeit auch schwedische Gruppen, um uns zu besuchen.

Eine Besonderheit war, dass sich die Küche sowie die Toiletten im Keller befanden. Man musste also aus dem Gebäude raus, um in die unteren Räume zu kommen. Im unteren Bereich gab es noch zwei Räume, die Kinder und Jugendliche benutzen konnten.

Besuch aus Schweden im Juli 1957: Walter Böhme (2. von links) und Oswin Heimer (rechts)

Als Johannes Schmidt 1971 Prediger der Gemeinde wurde, gab es in der Kapelle einige Umbauten. Im Eingangsbereich entstand ein Korridor mit Garderobe und einem Oberboden und 1972 bekamen wir eine neue Gasheizung. Für Johannes Schmidt entstand ein Arbeitszimmer aus den zwei kleinen Räumen. 1975 zum Bundesvorsteher der DDR-Gemeinden gewählt, fehlten dafür in der Kapelle die nötigen Räume. Und so entstand auf der Südseite der Kapelle ein Büroanbau. Eine Baubrigade hatte diesen Anbau „nach Feierabend“ fertig gestellt.

Im Zuge der Renovierung und des Vorrichtens des Kapellensaales 1979 bekam die Stirnseite einen neuen Bibelspruch. Der Bibelspruch „Jesus Christus – A und O“ wurde von Horst Arndt aus der FeG Falkensee hergestellt und löste den alten Spruch von 1949 ab: „Fürchte dich nicht, glaube nur!“ Und zum Ende des Jahres war der Neubau des Pastorenwohnhauses fertig gestellt.

Winfried Miethling verpasst der Schwedenkapelle in den 1980er Jahren einen neuen Farbanstrich

Nach dem Mauerfall erfolgte ein Jahr später am 15. Dezember 1990 auf einem Sonderbundestag der Zusammenschluss der beiden deutschen Bünde. In den Jahren danach gab es größere Umbauten: Die Gasheizung musste 1992 erneuert werden, 1993 folgte ein Umbau der Toilettenanlage. Sie kam aus den Kellerräumen nach oben. So hatten wir nach 44 Jahren endlich kurze Wege dahin! Aber auch das Äußere unserer Kapelle musste erneuert werden: 2001 erfolgte eine Grundsanierung der äußeren Holzverkleidung und 2005 wurde eine Dachsanierung durchgeführt.

Was einen größeren Schaden verursachte, war die Feuchtigkeit in allen Kellerräumen. Ab 2013 musste der Putz abgeschlagen werden, die Trocknungsphase dauerte anderthalb Jahre. Die Kellerräume wurden danach für die Kinder- und Jugendarbeit neu hergerichtet. Im Zuge der Baumaßnahmen wurde die Küche, die sich seit Jahrzehnten im Keller befand, nach oben verlegt.

 

Neue Holzverkleidung und Einbau neuer Fenster von Juni bis August 2001

Dann erlebten wir durch einen Starkregen am 2. August 2019 einen schweren Wasserschaden in den Kellerräumen im Gemeinde- und Wohnhaus. Doch auch dieser konnte mit wertvoller Hilfe und einigem Aufwand behoben werden. Bevor wir nun zur Fotostrecke übergehen, gibt es zum Abschluss noch etwas Erfreuliches zu berichten: Unser Versammlungsraum wurde mit der Decke im ersten Halbjahr 2020 komplett saniert. Und mit der neuen Technik können wir jetzt Predigttexte, Bilder und Videos in hoher Auflösung an die Wand projizieren.

Klaus Ortmann

Fotostrecke

Einladungsschild in den 1950er Jahren

Walter Böhme (Prediger 1939- 1957, Bundesvorsteher 1950- 1967) in seinem Büro in der Nipkowstraße 18

Johannes Schmidt, Bundesvorsteher 1975, und Sigrun Tiedt, Bundessekretärin

Innenansicht aus den 1980er Jahren: Schwedenkreuz, Harmonium und Holzschriftzug

15. Dezember 1990: Sonderbundestag mit Johannes Hummel (v.l.) und Karl Heinz Knöppel, seit dann der gemeinsame Bundesvorsteher der wiedervereinten Bünde Ost und West

Juli 2009: In Eigenleistung stellte die Gemeindejugend aus zwei Kellerräumen einen großen Jugendraum her

November 2009: Gemeinsame Lego-Tage mit abschließendem Familiengottesdienst

13./14. September 2014: 100-Jahr- Feier der FeG Berlin-Adlershof. Sarah und Tobias Rietze begrüßen Jubiläumsgäste mit einem Glas Sekt

Januar 2020: Ausgeräumter Gemeindesaal vor den Renovierungsarbeiten

Nach den Renovierungsarbeiten: Blick auf das Podium von rechts und links

November 2021: Alljährliche Packparty für Weihnachten im Schuhkarton

März 2022: Renovierung des Mutter-Kind- bzw. Begegnungsraums

November 2023: St. Martins-Umzug mit den Adlershofer Kirchen