31. Oktober 2023 | Gottesdienst

Der 9. November

In den großen und kleinen Kalendern, die wir haben, steht unter dem 3. Oktober „Tag der deutschen Einheit“. Das stimmt eigentlich nicht, denn das war der 9. November 1989! Da nahm die Einheit ihren Anfang! Wenn wir zurückblicken auf die deutsche Geschichte, kann man nur staunen, was alles seit 1918 an einem 9. November passierte:

  • 1918 Philipp Scheidemann und Karl Liebknecht rufen unabhängig voneinander die Republik aus. Der erste Weltkrieg ist beendet und Kaiser Wilhelm II. erklärt am 9. November seine Bereitschaft zum Rücktritt. In Weimar gibt sich die junge Republik eine Verfassung.
  • 1923 In das geistliche Vakuum der Nachkriegsjahre drängt mit großer Wucht der Ungeist des Nationalsozialismus. An einem 9. November verüben Hitler und seine Anhänger einen Staatsstreich in München. Die Polizei kann den Putsch verhindern.
  • 1925 Nach genau 2 Jahren gründet Hitler am 9. November seine Schutzstaffel (SS), die später zum Symbol der Vernichtung und entmenschlichter Gewalt in Deutschland und in Europa wird.
  • 1938 Mit Hitler als gewähltem Reichskanzler rufen die Nationalsozialisten am 9. November zur Gewalt gegen Juden in Deutschland auf. Goebbels befiehlt den Truppen von SA und SS: „Zerstört jüdische Synagogen und Geschäfte. Erteilt den Juden eine unvergessliche Lektion“. Die sogenannte „Reichspogromnacht“ ist der Auftakt zum Holocaust. Bis 1945 ermorden die Nazis und ihre Helfer sechs Millionen jüdische Mitbürger.
  • 1972 Die vier Besatzungsmächte in Deutschland haben am 9. November ihre Bereitschaft bekundet, den Beitritt der beiden deutschen Staaten in die Vereinten Nationen (UN) zu unterstützen.
  • 1988 50 Jahre nach der Reichspogromnacht von 1938 läuten am 9. November in Gedenken an diesen Tag die Glocken zum Bußtagsgottesdienst. An vielen Orten bekennen und betrauern Christen die Schuld ihrer Nation und ihrer Kirchen am jüdischen Volk und bitten um Gottes Erbarmen.
  • 1989 Genau ein Jahr nach der öffentlichen nationalen Buße geschieht das Undenkbare: Nach 40 Jahren Teilung fällt am 9. November die Ost- und Westdeutschen trennende Berliner Mauer. Ein Jubeltag für Deutschland, für Europa und für die Welt. Damit beginnt das Ende des „Eisernen Vorhangs“ zwischen zwei gegensätzlichen Systemen.

Der 9. November trägt für uns eine zweifache Botschaft: Er markiert die dunkelsten Stunden deutscher Geschichte und den größten Freudentag unserer wiedervereinigten Nation. Gottes Erbarmen vermag beides zu umspannen: Heil und Unheil.

Wer interessiert ist und mehr wissen will über Ursachen und Wirkung des Mauerbaus, sowie den Ereignissen um den 9. November, der wende sich an das Gemeinde-Archiv. Es gibt darüber Literatur, die man sich ausleihen kann.

Klaus Ortmann