2. Januar 2023 | Geschichte

Auf die Anfänge geschaut – Teil 5

Als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, hatten unsere Gemeinden, bzw. Bund, politische Abstinenz geübt. Sie verhielten sich im Wesentlichen unauffällig oder sogar staatsloyal. Im Umgang mit jüdischen Mitbürgern und dem Judentum positionierte man sich zwiespältig, und das schon in den 1920er Jahren. Man ließ sich durch den antisemitischen Zeitgeist verführen und schwieg weitgehend zum Unrecht des NS Staates.

Nachdem Albert Fuhrmann die Gemeinde Anfang 1939 verließ, kam Walter Böhme mit seiner Familie nach Adlershof. Als gebürtiger Berliner kam er aus den Gemeinden in Aachen und Eschweiler und fing seinen Dienst am 1. April 1939 an.

Am 1. September 1939 begann der 2. Weltkrieg. Die Auswirkungen spürten auch unsere Gemeinden hier in Berlin. Prediger wurden eingezogen, wie auch Gemeindemitglieder, so dass es überall an Mitarbeitern mangelte. In den letzten Wochen des Krieges wurde Walter Böhme sogar noch als Sanitäter eingezogen.

Nach dem Ende des Krieges am 8. Mai 1945 kümmerte sich Böhme verstärkt um die verwaisten und zerstreuten Gemeinden in Berlin und Umgebung. 1946 wurde er zum Kreisvorsteher der Berliner Gemeinden gewählt. Er unternahm weite Reisen zu Gemeinden in Thüringen, Sachsen und darüber hinaus. Auch die Vertriebenen aus den Gemeinden in Pommern und Schlesien hatte er im Blick. Einen Suchdienst mit Adressangaben wurde 1946 und 1947 im Gemeindebrief veröffentlicht.

Wegen der katastrophalen Zustände im Nachkriegs deutschland hatte die Evangelische Kirche im August 1945 ein Hilfswerk gegründet. Ein Jahr später bekamen wir ein bundes eigenes Hilfswerk, das Walter Böhme die Anerkennung als „Beauftragten des freikirchlichen Hilfswerkes für die Ostzone“ aussprach. In der Folgezeit kamen Spenden, Lebensmittel und Textilien aus Schweden, Schweiz, Brasilien und von den amerikanischen Freikirchen. Im Zuge der DDR-Gründung (Oktober 1949) verbot der DDR Innenminister im Dezember 1950 Spendenlieferungen aus dem westlichen Ausland. Während in Ostberlin ab 1951 nichts mehr ankam, gingen die Spendenlieferungen an die Westberliner Gemeinde in Moabit weiter.

Walter und Klara Böhme, 1958

Durch gute Kontakte zu den schwedischen Freikirchen bekam unsere Gemeinde eine Holzkirche geschenkt. Am 23. Dezember 1947 kam ein Telegramm aus Stockholm an, in dem die Lieferung einer Holzkirche in drei Waggons angekündigt wurde. Die Baulizenz bekamen wir erst am 28. September 1948. Bis zu diesen Zeitpunkt waren für die Grundmauern 42.000 Klinkersteine von einem zerbombten Hangar des Johannisthaler Flugplatzes, der „Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt“, geholt worden.

Beim Ausschachten und Steineputzen halfen nicht nur die Frauen und Jugendlichen aus der Gemeinde mit, sondern auch Jugendliche aus Moabit. Damit die geputzten Steine nicht gestohlen wurden, musste oft eine Nachtwache gestellt werden.

Am 28. August 1949 war es dann so weit. Die „Schwedenkapelle“ konnte eingeweiht werden. Der Bibelspruch „Fürchte dich nicht, glaube nur“ (Lukas 8,50) grüßte die Besucher von der Saalfront. Einen Festchor hatte Adolf Nitsch aus allen Berliner Gemeinden zusammengestellt. Walter Böhme hielt die Festpredigt. Aus Schweden war leider niemand gekommen. Die Einladung zur Feier wurde mit einem Grußtelegramm beantwortet.

Klaus Ortmann