Leitgedanken September-Oktober 2020
Liebe Gemeinde!
Die Bibel wartet mit einer Reihe drastischer Geschichten auf, in denen es um die Frage geht, wem die Menschen dienen wollen: Schadrach, Meschach und Abed-Nego nahmen lieber den Tod in Kauf, als sich vor dem Standbild des Königs zu verneigen. Gott belohnte ihre Treue und sie überlebten. Ja nicht einmal „ein Haar auf ihrem Kopf war versengt“ (Daniel 3,27).
„Unser Gott, dem wir dienen, kann uns aus dem Feuer und aus deiner Gewalt retten.“ (Daniel 3,17)
Wo ist dein Platz? Vor dem Standbild oder im Feuerofen?
Die Hochzeit – verschoben wegen Corona. Der Auftrag – storniert wegen Corona. Der Gottesdienst – eingeschränkt
wegen Corona. An allem, was wir gerade durchmachen, ist ein kleines Virus schuld. An allem? Knapp ein halbes Jahr nach Beginn der schwersten Krise der Nachkriegsgeschichte kann Corona als Ausrede für vieles gelten – aber nicht dafür, welcher Priorität wir dem Virus und welcher Priorität wir Gott geben. Es ist verständlich, dass sich die Welt vor dem Virus fürchtet, weil für sie das irdische Leben das höchste Gut ist – wir als Christen müssen es nicht. Gesundheit ist nicht das höchste Gut, hat aber generell und erst Recht in diesen Tagen insbesondere das Potenzial zum Götzen zu werden – auch für uns, wenn wir selbst unser geistliches Leben und das (Nicht-)investieren unserer Gaben einzig und allein an den Pandemieplänen der Bundesregierung ausrichten.
Soweit so gut – das Problem an einem Virus ist jedoch, dass es nicht nur mich selbst gefährden kann, sondern auch meine Mitmenschen. Dass es rein statistisch viel wahrscheinlicher ist an einer Herz-/Kreislauferkrankung oder Krebs als an Covid zu sterben, ist dabei im Grunde nebensächlich.
Auch gefühlte Angst kann zum Gesundheitsrisiko werden. Vielleicht würde ein Blick in die offizielle Statistik Berlins
helfen: Von den rund 20.500 Krankenhausbetten in Berlin (Stand 2018) waren Mitte August 33 mit Covid-Patienten
belegt – Tendenz seit Anfang Juli deutlich sinkend (Quelle: Senatskanzlei).
Die Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln sind daher in erster Linie als Liebesdienst gegenüber denjenigen zu
begreifen, die die Krankheit ernster nehmen als sie vielleicht müssten – oder die genauso von einer Quarantäne genervt wären, wie ich selbst, selbst wenn sie keine Krankheitssymptome aufweisen. In zweiter Linie ist es Ausdruck des Respekts gegenüber der Obrigkeit. Auch wenn ich zugeben muss, dass die Skurrilität mancher Regeln dies mitunter erschwert (warum müssen die Schulkinder im Schulflur einen Mund-Nasen-Schutz tragen, können aber
dann im Hort bedenkenlos ohne Abstand und Maske mit Kindern anderer Klassen spielen?). Insofern fordert uns die
aktuelle Situation als Christen in besonderer Weise heraus: Wir sollen mutig unseren Glauben leben, uns nicht
verstecken, unsere Gaben weiter einbringen – und gleichzeitig Regeln so weit es geht einhalten und das subjektive Empfinden anderer respektieren. Eins sollte aber Corona nicht sein: Unser Götze, dem wir alles andere unterordnen.
Tobias-Benjamin Ottmar