Leitgedanken November / Dezember 2019
Wenn wir uns daran erinnern, dass Jesus den Menschen, die er aus der Herrschaft der Sünde befreit und zu einem neuen Leben in seiner Nachfolge beruft, zugleich auch einen Missionsauftrag in dieser Welt gibt, denken wir vermutlich als erstes an seine Worte unmittelbar vor der Rückkehr zu seinem Vater, nachdem er seine Mission am Kreuz vollendet hatte. Wir finden sie am Ende des Matthäus-Evangeliums, wo Jesus sagt:
Mir ist alle Macht im Himmel und auf der Erde gegeben. Darum geht zu allen Völkern und macht die Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und seid gewiss: Ich bin jeden Tag bei euch, bis zum Ende der Welt. (Matthäus 28,18-20)
Als Grundlagen für diesen Auftrag verweist Jesus hier auf seine unbegrenzte Macht und seine jederzeit garantierte Gegenwart. Dennoch kann einem die Aufgabe, auf der ganzen Welt das Evangelium zu verkündigen und die Menschen zu Jüngern Jesu zu machen, schon so überwältigend groß erscheinen, dass man das lieber den vermeintlich besonders Befähigten und Berufenen überlassen würde. Einerseits zieht es einen vielleicht so gar nicht in ferne Länder und fremde Kulturen. Andererseits kann man den so klar formulierten Auftrag Jesu aber auch nicht einfach ignorieren. Wie sollen wir das in Einklang bringen?
Ein Blick in die Bibel lehrt uns, dass Jesus seine 12 Apostel schon relativ kurz nach ihrer Berufung zu einer regional begrenzten Mission ausgesandt hat. Dafür gab er ihnen Kraft und Vollmacht und wies sie an:
Setzt euren Fuß nicht auf heidnisches Gebiet und betretet keine samaritanische Stadt, sondern geht zu den verlorenen Schafen des Volkes Israel. Geht und verkündet: „Das Himmelreich ist nahe.“ … (Matthäus 10,5ff)
Wenn wir das auf uns übertragen, geht es zunächst einmal um das eigene Land und um Menschen, die unsere Sprache verstehen. Da gibt es ja immer noch so viele verlorene Schafe, die Gott nicht kennen und die rettende Botschaft vom Kreuz noch nicht gehört haben, dass auch diese Aufgabe ganzen Einsatz erfordert. Ich glaube aber nicht, dass Jesus uns alle dazu auffordert, uns in einer weit entfernten Stadt auf einen großen Platz zu stellen und zu predigen. Das wäre für die meisten kaum realisierbar und hätte in vielen Fällen nichts außer überfüllten Autobahnen und Zügen zur Folge. Bedeutet das nun, dass die meisten von uns an der Verbreitung des Evangeliums keinen Anteil haben können? Das kann doch nicht sein.
Schauen wir also noch einmal in die Bibel. Sie berichtet uns von einem weiteren Missionsauftrag, den Jesus einem frisch befreiten und bekehrten Mann kurz vor der Aussendung seiner Apostel gab. Dieser Mann, der so sehr von dämonischen Mächten beherrscht wurde, dass er eine ständige Gefahr für sich selbst und andere war, wurde von Jesus aus diesen Bindungen befreit und hatte sofort danach den Wunsch, ihm nachzufolgen. Das wird z.B. im 8. Kapitels des Lukas-Evangeliums ab Vers 26 beschrieben.
Jesus, der den Bewohnern der Gegend, in der diese Befreiung geschah, die Bitte, ihr Gebiet zu verlassen, erfüllte und vorher sogar auf Bitten der Dämonen eingegangen war, erhörte die Bitte dieses Mannes jedoch nicht, sondern gab ihm eine andere Aufgabe, die er offensichtlich unter den gegebenen Umständen für angemessener hielt:
Als Jesus ins Boot stieg, um zurückzufahren, bat ihn der Mann, aus dem die Dämonen ausgefahren waren, bei ihm bleiben zu dürfen. Aber Jesus schickte ihn zurück. „Geh wieder zu deiner Familie“, sagte er, „und erzähle dort, was Gott für dich getan hat!“ Da ging der Mann fort und verkündete in der ganzen Stadt, was Jesus für ihn getan hatte. (Lukas 8,38-39)
An dieser Stelle können wir uns vielleicht eher wiederfinden. Der Mann zeichnete sich nicht durch besondere Begabungen, fundiertes theologisches Wissen oder eine gründliche Schulung und Einarbeitung durch Jesus aus, aber er hatte die befreiende Gnade Gottes erlebt und konnte in seiner Familie und unter den Nachbarn und Bekannten davon Zeugnis ablegen. Das war der Auftrag Jesu an ihn und diesen Auftrag gibt er auch uns. Wenn Jesus die Herrschaft in unserem Leben übernommen hat, dann sind wir von allen anderen Beherrschungen frei geworden. Wenn wir in dieser Freiheit von seinem Geist geleitet leben, dann unterscheiden wir uns in unserem Denken, Reden und Handeln von unserem Umfeld. Es soll für andere Menschen, denen wir im Alltag begegnen oder zu denen wir eine Beziehung haben, sichtbar werden und davon sollen wir ihnen erzählen.
Ich muss gestehen, dass mir das nicht immer gelingt, und vermute, dass es anderen ebenso geht. Wie wollen wir damit umgehen?
Zum einen sollten wir immer wieder im Gebet vor Gott kommen und ihn um Befreiung von Ängsten und Zweifeln bitten. Dabei können wir einander beistehen, uns gegenseitig ermutigen und – wenn nötig – in Liebe ermahnen. Außerdem können wir als Gemeinde in unserem Umfeld gemeinsam aktiv werden. Im ersten Quartal des kommenden Jahres wollen wir z.B. einen Alpha-Kurs durchführen, in dem die Grundlagen des christlichen Glaubens in für Außenstehende möglichst verständlicher Form vermittelt werden. Dazu können wir Menschen aus unserem Umfeld einladen und sie gegebenenfalls begleiten, wenn es ihnen hilft, sich darauf einzulassen. Wir können mit praktischer Unterstützung dazu beitragen, den Gästen unsere von der Liebe Gottes inspirierte Wertschätzung zu zeigen. Und nicht zuletzt können wir in sich in diesem Kontext ergebenden Gesprächen über unseren eigenen ganz individuellen Weg zum und im Glauben Auskunft geben, so wie es der Mann in dem oben zitierten Bericht getan hat. Damit kommen wir dann auch einer Aufforderung aus dem 1. Petrusbrief nach:
Ehrt vielmehr Christus, den Herrn, indem ihr ihm von ganzem Herzen vertraut. Und seid jederzeit bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der euch auffordert, Auskunft über die Hoffnung zu geben, die euch erfüllt. Aber tut es freundlich und mit dem gebotenen Respekt … (1.Petrus 3,15)
Harry Reimann